LNV Baden-Württemberg e.V.
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Stellungnahme des Landesnaturschutzverbandes
zum Leitfadens "Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken" bei Wasserkraftwerken

  1. Mit dem vorliegenden Leitfaden wird der Versuch unternommen, den Wasserkrafterlass Baden-Württemberg so auszufüllen, umzusetzen und weiterzuentwickeln, dass die in Ziffer 1 der Anlage zu diesem Erlass genannten "Grundlegenden Anforderungen" der Gewässerökologie tatsächlich berücksichtigt werden können.
    Wir anerkennen, dass ein großer Aufwand betrieben wurde, um die Anforderungen der für die betroffenen Gewässerabschnitte typischen Fischfauna zu ermitteln, um die erforderlichen Mindestabflüsse zu messen bzw. zu berechnen und um die unterschiedlichen Modelle zur Berechnung der Mindestabflüsse auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen.


  2. Das mit großem Aufwand erreichte Ziel, die Anforderungen der Gewässerökologie bei der Festlegung der Mindestabflüsse zu berücksichtigen, wird durch die Formulierung "Inwieweit die angesprochenen Punkte bei Planung und Betrieb ei-ner Wasserkraftnutzung vollständig aufgegriffen werden müssen, hängt - auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit - vom Einzelfall ab" (A 3 Fachliche Ziele und praktische Nutzung des Leitfadens) gleich wieder relativiert.
    Die im Leitfaden dargestellte Vorgehensweise zur Festlegung von Mindestabflüssen muss nach unserer Auffassung verbindlich festgelegt werden.


  3. Die vergleichende Untersuchung an zehn Beispielen an sehr unterschiedlichen Gewässern in allen Flussgebieten des Landes zeigt, dass die im Wasserkrafterlass festgelegten Mindestwerte von 1/6 MNQ (Sockelwert) bzw. Richtwerte von 1/3 MNQ (Orientierungswert) in vielen Fällen, vor allem aber bei kleinen und sehr kleinen Gewässern, zu Mindestabflüssen führen, die mit den Ansprüchen der Fischfauna an Durchwanderbarkeit und erst recht an die Erhaltung der Lebens-räume (Laich-, Jungfisch-, Nahrungshabitate usw. ) nicht vereinbar sind.

    Die Einzelfallprüfung nach dem vorliegenden Leitfadenentwurf kommt in allen Fällen zu einem Mindestwasserabfluss von mehr als 1/3 MNQ!


  4. Die vergleichende Untersuchung zeigt auch, dass die Anwendung der von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) vorgeschlagenen Ansätze "Biotop-Abfluss-Ansatz" und "Ökohydrologischer Ansatz" in vier von acht Fällen zu ganzjährig höheren Mindestabflüssen führt als der nach dem vorliegenden Leitfaden modifizierte Wasserkrafterlass Baden-Württemberg. In einem Fall führen die LA-WA-Ansätze zu zeitweise höheren Mindestabflüssen, in einem weiteren zu zeitweilig etwas niedereren und zeitweise deutlich höheren Mindestabflüssen. In zwei Fällen kommt der Entwurfsansatz zum selben Ergebnis wie der Ansatz der LA-WA, beide betreffen kleinere Gewässer. Dabei verfolgt der vorliegende Entwurf grundsätzlich dasselbe Ziel wie der Biotop-Abfluss-Ansatz der LAWA, nämlich die Durchgängigkeit der betroffenen Gewässerabschnitte für die gewässertypischen Fischarten sicherzustellen und den Laich dieser Fischarten nicht zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass die Ansprüche der Fischfauna im vorliegenden Entwurf niedriger angesetzt werden als von der LAWA.

    Wir fordern daher, die Ansätze der LAWA - Biotop-Abfluss Ansatz bzw. Ökohydrologischer Ansatz - für Baden-Württemberg zu übernehmen, anstatt ein neues, ähnlich kompliziertes Modell zu schaffen, das die Ansprüche der Fischfauna offensichtlich in geringerem Maß berücksichtigt.


  5. Die Frage der Abwärtswanderungen von Fischen wird im Leitfaden nicht behandelt. Diese Frage hat zwar streng genommen nichts mit der Festlegung des Mindestabflusses zu tun, ist aber wichtig für die Erteilung bzw. Verlängerung wasserrechtlicher Genehmigungen.

    Wir erwarten, dass Vorgaben für die Gestaltung von Wehren, Ausleitungen und Durchgängigkeitsbauwerken erarbeitet werden mit dem Ziel, auch Abwärtswanderungen von Fischen mit möglichst geringen Behinderungen und Beschädigungen zu ermöglichen.


  6. Es fällt auf, dass im Abschnitt F 5 - Wasserkraftanlage Alfredstal/Donau - keine vergleichende Untersuchung mit anderen Ansätzen zur Festlegung des Mindest-wasserabflusses durchgeführt wurde. In diesem Fall wird der Kompromiss mit Mindestabflüssen zwischen 0,5 und 1,5 m³/s (also lediglich 1/18 bzw. 1/6 MNQ!) u.a. damit gerechtfertigt, dass es häufig zu Wehrüberläufen kommt. Abgesehen davon, dass dieser Fall durch den derzeit geltenden Wasserkrafterlass nicht ge-deckt ist, der 1/6 MNQ als Mindestwert festlegt, wurde zuvor nach dem modifizier-ten Wasserkrafterlass ein Mindestabfluss von 3 m³/s ermittelt!

    Wir bitten um Nachreichung, welches Ergebnis in diesem Fall die LAWA-Ansätze bringen würden.

  7. Unter 4.2 "Auswahl und Anwendung von Kriterien in der Praxis" steht "Soweit im Einzelfall erforderlich, sind zusätzlich die Anforderungen weiterer Organis-mengruppen zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbesondere sensible Wirbellose, die höhere Ansprüche an die Fließgeschwindigkeit haben als die Fische und die in bestimmten Gewässern vorkommen...". Zwei Sätze weiter steht "Auf diese Sonderfälle kann im Rahmen des vorliegenden Leitfadens aber nicht eingegangen werden." Auch unter C "Weitere Verfahren zur Mindestabflussermittlung" wird noch einmal dargestellt, dass bei der Annahme, dass überall dort, wo die potenziell natürliche Fischfauna geeignete Lebensbedingungen in einer Gewässerstrecke vorfindet, auch für die bodenbesiedelnden wirbellosen Tiere angemessene Umweltbedingungen gegeben sind, Arten mit Anforderungen an sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit eine Ausnahme darstellen.

    Wir legen Wert darauf, dass diese "Sonderfälle" bei der Erteilung und Ver-längerung wasserrechtlicher Genehmigungen für Wasserkraftwerke berücksichtigt werden. Wir schlagen vor, eine Liste mit Beispielen für die genannten besonders sensiblen Wirbellosen zu erstellen. Dazu gehören z.B. der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium), der besondere Schwierigkeiten mit Wanderungshindernissen hat und sowohl auf der Roten Liste als auch im Anhang II der FFH-Richtlinie steht, kaltstenotherme Planarienarten wie Crenobia alpina und Polycelis felina, die extrem strömungsbedürftigen Lidmücken-Larven (Blephariceridae) und rheobionte Steinfliegen-Larven (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

    Wie die Beispiele zeigen, greift der LfU-Leitfaden zu kurz, wenn er bei besonders sensiblen Wirbellosen lediglich auf deren Ansprüche an die Fließgeschwindigkeit verweist. Ansprüche an Sauerstoffgehalt, Wassertemperaturen u.a. müssten ebenso genannt werden.


  8. Es fällt auf, dass unter 4.4 "Hydraulische Grobtypen" nur solche Typen berück-sichtigt werden, in denen die Wassertiefe schwach oder sehr schwach abflussabhängig ist. Die Alltagserfahrung zeigt, dass die Wassertiefe in Fließgewässern im Normalfall deutlich abflussabhängig ist. Die in Teil F "Repräsentative Beispiele" beschriebenen Pegelversuche zeigen dasselbe.

    Wo ist dieser Fall bei den hydraulischen Grobtypen dargestellt?


  9. Unter D 3 "Strukturverbesserung in ausgebauten Ausleitungsstrecken" steht bei der WKA Horkheim am Neckar, der einmündende Klingenberger Bach solle durchgängig angeschlossen werden. Da der Klingenberger Bach in der gesamten Ortslage von Klingenberg verdolt ist, wäre dies vermutlich eine entweder äußerst aufwändige oder wenig effektive Maßnahme. Dagegen ist der Katzentalbach, der südlich vom Nordheimer Bahnhof in den Altneckar mündet, nur auf einem ziem-lich kurzen Abschnitt vor der Bahnlinie verdolt. Seine durchgängige Anbindung an den Altneckar wäre vermutlich wesentlich einfacher und effektiver als die des Klingenberger Bachs.

    Ist hier der Katzentalbach gemeint?
Zusammenfassend dürfen wir festhalten:
Wir fordern, die Ansätze der LAWA - Biotop-Abfluss Ansatz bzw. Ökohydrologischer Ansatz - für Baden-Württemberg zu übernehmen, anstatt ein neues, ähnlich kompliziertes Modell zu schaffen, das die Ansprüche der Fischfauna offensichtlich in geringerem Maß berücksichtigt. Zudem muss die Vorgehensweise zur Festlegung von Mindestabflüssen nach unserer Auffassung verbindlich festgelegt werden. Sie darf nicht lediglich eine Kann-Vorschrift sein. Wir legen Wert darauf, dass diese "Sonderfälle" bei der Erteilung und Verlängerung wasserrechtlicher Genehmigungen für Wasserkraftwerke berücksichtigt werden, und schlagen vor, eine Liste mit Beispielen für die genannten besonders sensiblen Wirbellosen zu erstellen.



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