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INFO 4/2000
Stuttgart, den 04.04.2000
Verfahren und die Verfahrensbeteiligung der nach § 29 NatSchG anerkannten Naturschutzverbände
Teil 1:
Raumordnungsverfahren - Planfeststellungsverfahren - Umweltverträglichkeitsprüfung
Bauvorhaben und einige andere Maßnahmen bedürfen in Deutschland eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens, das der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dient. Je nach Vorhaben stehen hierfür unterschiedliche Verfahren zur Verfügung: Planfeststellungsverfahren, Plangenehmigungsverfahren, Bauleitplanverfahren. Vorgeschaltet sein kann ein Raumordnungsverfahren, in bestimmten Fällen ist als unselbständiger Teil eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben.
Der LNV stellt dem vorliegenden LNV-Info das Wichtigste über Bauleitplanverfahren sowie Plangenehmigungsverfahren und die - leider weitgehend nicht vorhandene - Beteiligung der Naturschutzverbände darin vor.
1. Raumordnungsverfahren
- Aufgaben und Inhalte des Raumordnungsverfahrens legt das Raumordnungsgesetz (ROG von 1997, § 15) fest:
"(1.) Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sind in einem besonderen Verfahren untereinander und mit den Erfordernissen der Raumordnung abzustimmen (Raumordnungsverfahren). Durch das Raumordnungsverfahren wird festgestellt,
1. ob raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmen und 2. wie raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen unter den Gesichtspunkten der Raumordnung aufeinander abgestimmt werden können
(Raumverträglichkeitsprüfung). Im Raumordnungsverfahren sind die raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung oder Maßnahme auf die in den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 genannten Belange unter überörtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Die Feststellung nach Satz 2 schließt die Prü-fung vom Träger der Planung oder Maßnahme eingeführter Standort- oder Trassenvarianten ein."
- Planungen und Maßnahmen, für die ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wer-den muss, sind in der Raumordnungsverordnung (RoV, BGBl I S. 2766, 13.12.90 - geändert 1994) aufgeführt, (Anlage 2).
- Die Beteiligung der § 29-Verbände ist im Landesplanungsgesetz (LplG) für Baden-Württemberg von 1994 festgelegt: § 13 Allgemeine Raumordnungsverfahren "(1) Die höhere Raumordnungsbehörde [Anmerkung: Regierungspräsidium] führt für raumbe-deutsame Planungen und Maßnahmen (Vorhaben), die in der Raumordnungsverordnung der Bundesregierung vom 13. Dezember 1990 (BGBl I S. 2766) in der jeweils geltenden Fassung bestimmt sind, sowie für Einkaufszentren, Einzelhandelsbetriebe und sonstige Handelsbetriebe mit mehr als 5000 m² Verkaufsfläche in der Regel ein Raumordnungsverfahren durch. ...
(6) Im Raumordnungsverfahren sind, soweit sie berührt sein können, zu beteiligen ... 5. die nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes anerkannten Verbände...."
- Den Verfahrensablauf regelt schließlich die Verwaltungsvorschrift über die Durchfüh-rung von Raumordnungsverfahren (VwV-ROV von 1993):
I. Allgemeine Raumordnungsverfahren
4.3 Erörterung und Festlegung des voraussichtlichen Untersuchungsrahmens sowie Bestim-mung der sonstigen einzureichenden Unterlagen...
"Außerdem erscheint es zweckmäßig, je nach Sachlage andere Behörden, die berührten Ge-meinden und Landkreise, Sachverständige oder auch Dritte (z.B. die nach §29 des Bundesna-turschutzgesetzes anerkannten Verbände) zu beteiligen."... Nach Abschluss der Erörterung unterrichtet die höhere Raumordnungsbehörde (Anmerkung: das Regierungspräsidium) den Träger des Vorhabens sowie nachrichtlich die Zulassungsbehör-de über den festgelegten voraussichtlichen Untersuchungsrahmen und die einzureichenden Un-terlagen. (Anmerkung: also nicht die Naturschutzverbände!)
6 Durchführung des Verfahrens
6.1.1 Der Kreis der zu beteiligenden Stellen lässt sich nicht generell und abschließend bestim-men. Hierzu gehören z.B., soweit sie berührt sein können:
...d) Anerkannte Verbände nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes ...
6.1.3.1 Die höhere Raumordnungsbehörde leitet den Beteiligten gleichzeitig die Unterlagen zu, die sie zur Beurteilung des Vorhabens benötigen. ...
7.5 Unterrichtung der Beteiligten
"Die höhere Raumordnungsbehörde unterrichtet den Träger des Vorhabens und die anderen am Verfahren beteiligten durch Übersendung einer Mehrfertigung der raumordnerischen Beurteilung."
II. Raumordnungsverfahren für Freileitungen
(alle obigen Bestimmungen gelten auch hier)
Wichtig ist, dass das Raumordnungsverfahren tatsächlich nur die Raumbedeutsamkeit einer Planung oder Maßnahme prüft und sich auch darauf beschränken muss. Das Landesplanungs-gesetz präzisiert diese Vorgaben aber und führt ausdrücklich die "raumbedeutsamen Auswir-kungen auf die Umwelt" (§ 13 Abs. 3) auf. Diese sind in der Anlage 2 der VwV über die Durchführung von Raumordnungsverfahren beispielhaft dargestellt.
2. Planfeststellungsverfahren
- Die grundsätzliche Beteiligung der anerkannten Verbände in Planfeststellungsverfah-ren ist im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG, § 29 (1), 4) geregelt:
"Einem rechtsfähigen Verein ist, soweit nicht in anderen Rechtsvorschriften eine inhaltsgleiche oder weitergehende Form der Mitwirkung vorgesehen ist, Gelegenheit zur Äußerung sowie zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben ...
4. in Planfeststellungsverfahren über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur- und Landschaft verbunden sind."
- Verankert sind Planfeststellungsverfahren bei folgenden Vorhaben:
im Straßenbau für Autobahnen und Bundesstraßen (§ 17 Bundesfernstraßengesetz FStrG) und Landesstraßen (§ 37 StrG).
- im Eisenbahnbau (§ 18 AEG, Allg. Eisenbahngesetz)
- Diese Gesetze lassen jedoch die Möglichkeit zu, dass der Planfeststellungsbeschluss durch eine Plangenehmigung ersetzt werden kann, wenn
- "Rechte anderer nicht wesentlich beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der In-anspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben und
- mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist."
- beim Bau von Seilbahnen (§ 7 Landesseilbahngesetz, LSeilbG)
- "(1) Neue Seilbahnen dürfen nur gebaut und bestehende geändert werden, wenn der Plan vor-her festgestellt ist (Planfeststellung). ..Bei der Planfeststellung ist die Umweltverträglichkeit nach Maßgabe des Landesgesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu prüfen."
- bei Wasserrechtsverfahren (§ 31 Wasserhaushaltsgesetzt, WHG, Ausbau)
- § 31 (2) "Die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Ausbau) bedarf der vorherigen Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens, das den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht. Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, stehen dem Ausbau gleich.
- (3) Ein Ausbau kann ohne vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens geneh-migt werden, wenn
- es sich um einen Ausbau von geringerer Bedeutung handelt, insbesondere um einen naturna-hen Ausbau bei Teichen und um kleinräumige naturnahe Umgestaltungen wie die Beseitigung von Bach- und Grabenverrohrungen, oder
- das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf eines der in § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genannten Schutzgüter haben kann."
- bei Flurbereinigungsverfahren im Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflege-rischem Begleitplan (§ 41 FlurbG)
- bei Errichtung und Betrieb von Deponien (§ 31 KrW-/AbfG)
- "(2) Die Errichtung und der Betrieb von Deponien sowie die wesentliche Änderung einer sol-chen Anlage oder ihres Betriebes bedürfen der Planfeststellung durch die zuständige Behörde. In dem Planfeststellungsverfahren ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Vor-schriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen."
- Auch in diesem Gesetz ist wieder die Möglichkeit gegeben, die Planfeststellung durch eine Plangenehmigung zu ersetzen, sofern eine "unbedeutende Deponie" beantragt wird und der Betrieb keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf ein im UVP-Gesetz genanntes Schutzgut haben kann.
- beim Neu- und Ausbau von Bundeswasserstraßen ( §14 Bundeswasserstraßenge-setz, WaStrG)
- "(1) Der Ausbau oder der Neubau von Bundeswasserstraßen bedarf der vorherigen Planfest-stellung. Bei der Planfeststellung sind die von dem vorhaben berührten öffentlichen und pri-vaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu be-rücksichtigen. Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde ist die Wasser- und Schifffahrtsdi-rektion; sie ist auch Genehmigungsbehörde."
- Die Möglichkeit der Plangenehmigung ist wie im Straßenbau formuliert (s.o.)
- bei Anlage und Änderung eines Flugplatzes (Luftverkehrsgesetz)
- bei bergbaulichen Vorhaben (Bundesberggesetz)
Der Verfahrensablauf ist im Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG §§ 72 ff) geregelt.
Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens hat die Anhörungsbehörde ein Anhörungsver-fahren durchzuführen. Sie fordert die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorha-ben tangiert wird zur Stellungnahme auf. Die Behörden haben ihre Stellungnahme inner-halb einer von der Anhörungsbehörde festzusetzenden Frist, die drei Monate nicht über-schreiten darf, abzugeben.
Die anerkannten Verbände werden im LVwVfG nicht erwähnt. Ihre Beteiligung ergibt sich aus dem § 29 BNatSchG, nach dem diesen Verbänden Gelegenheit zur Äußerung zu geben und Einsicht in die einschlägigen Fachgutachten zu gewähren ist (s.o.). In der Regel wer-den sie wie die Behörden zur Stellungnahme aufgefordert.
Die Anhörungsbehörde veranlasst weiterhin, dass der Plan in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt, für die Dauer eines Monats ausgelegt wird. Einwendungen gegen den Plan kann nur erheben, wessen Belange durch das Vorhaben berührt sind (also nicht Naturschutzverbände, sondern nur Grundstückseigentümer o. ä.).Einwendungen müssen bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich bei der Anhörungs-behörde oder bei der Gemeinde erhoben werden.
Nach Ablauf der Einwendungsfrist gibt es einen Erörterungstermin, an dem die Stellungnahmen der beteiligten Behörden sowie die rechtzeitig eingegangenen Einwendungen erör-tert werden. Die Erörterung soll innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Einwen-dungsfrist abgeschlossen sein. Über Einwendungen, über die bei der Erörterung keine Ei-nigung erzielt worden ist, entscheidet die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss.
Die zuständige Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde ist in dem jeweiligen Fachgesetz festgelegt, z. B. ist für Verfahren bei der Planung von Landesstraßen das Regierungspräsidium Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde.
3. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
- Das UVP-Gesetz des Bundes (UVPG) bildet
die Grundlage für Zweck, Begriffsbestim-mung und Verfahrensabwicklung
der Umweltverträglichkeitsprüfung.
- § 2 Begriffsbestimmungen
"(1) Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist
ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher
Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit
von Vorhaben dienen. Die Umweltverträg-lichkeitsprüfung
umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen
des Vorhabens auf
- Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft,
Klima und Landschaft, einschließlich der Wechselwirkungen,
- Kultur- und sonstiger Sachgüter."
Es enthält eine Anlage, in der die Vorhaben aufgelistet
sind, die der UVP unterliegen (Anlage 5).
- Das Landesgesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung
(LUVPG) stimmt weitgehend mit dem UVPG überein.
Es enthält eine Anlage in der Vorhaben aufgelistet
sind, die über die Liste des UVPG hinaus in Baden-Württemberg
der UVP unterliegen.
- Die Beteiligung der Naturschutzverbände ist in §
5, Unterrichtung über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen,
("Scoping-Termin") festgelegt, in dem es in Satz
2 heißt:
"Hierzu können andere Behörden,
Gemeinden, Sachverständige und die nach § 29
Bundesnatur-schutzgesetz anerkannten Verbände hinzugezogen
werden."
- UVP-Änderungsrichtlinie der EU (unmittelbare
Anwendung seit dem 15.03.99)
Die Auswirkungen der unmittelbaren Gültigkeit dieser
Richtlinie haben wir ausführlich im Info 5/99 dargestellt.
Hier ein Überblick über die wichtigsten Änderungen.
Es gibt zusätzliche Anforderungen
an die Durchführung einer UVP:
- Der Prüfrahmen ist hinsichtlich der Wechselwirkungen
erweitert; bei der Prüfung der Wechsel-wirkungen
sind die Punkte Sachgüter und kulturelles Erbe
in Betracht zu ziehen.
- Der Prüfrahmen ist durch Einbeziehung der wichtigsten
anderweitigen vom Projektträger ge-prüften
Lösungsmöglichkeiten und Angabe der wesentlichen
Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen
erweitert.
- Die Einzelfallentscheidung über die Erforderlichkeit
einer UVP bei Vorhaben des Anhang II muss der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden.
Es gibt eine neue Liste von Vorhaben, bei denen grundsätzliche
eine UVP durchzuführen ist:
- Für die Naturschutzverbände in Baden-Württemberg
ist hier vor allem die UVP-Pflicht für den Bau
von neuen vier- oder mehrspurigen Straßen oder
Verlegung und/oder Ausbau von beste-henden ein- oder
zweispurigen Straßen zu vier- oder mehrspurigen
Straßen, wenn diese neue Straße oder dieser
verlegte und/oder ausgebaute Straßenabschnitt
eine durchgehende Länge von 10 km oder mehr aufweisen
würde von Bedeutung. Diese Bestimmung gilt nämlich
ungeachtet einer abschnittweisen Planung oder Baudurchführung.
Entscheidend ist, dass die neuentstehende Straße
insgesamt eine durchgehende Länge von 10 km oder
mehr aufweist. Das heißt, mit einer "Salamitaktik"
scheibchenweiser Planung kann der UVP nicht ausgewichen
werden.
Es gibt eine erweiterte Liste von Vorhaben, bei
denen nach Einzelfallprüfung oder aufgrund von Schwellenwerten
der Mitgliedstaaten eine UVP durchzuführen ist.
Für die Naturschutzverbände äußerst
wichtig ist die Rolle des Standortes für die Notwendigkeit
einer UVP:
Eine UVP ist insbesondere dann durchzuführen, wenn
der Standort des Vorhabens ein geschütztes Gebiet (NSG,
LSG; ND, Naturpark usw.) beeinträchtigen kann.
gez. Ingrid Frühauf
© Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V.,
Olgastraße 19, 70182 Stuttgart
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