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INFO 5/2001

Stuttgart, den 1.06.2001

Flurneuordnung und Naturschutz

Der LNV will mit dem hier vorgelegten Info eine Überprüfung von Form, Zielsetzung und Umfang der heutigen Flurneuordnung anregen. Angesichts neuer politischer Zielsetzungen - z.B. Vermeidung von Landschaftszerschneidung und Verringerung des Flächenverbrauchs (Umweltplan!) - wird immer deutlicher, dass das alte Flurneuordnungsgesetz untauglich geworden ist und dringend einer Modernisierung bedarf.
Das Hauptziel der Flurneuordnung ist derzeit nach § 1 FlurbG, zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung durch Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes (Flurneuordnung oder -neuordnung) beizutragen. Diesem Zweck dient insbesondere die Zusammenlegung zersplitterten Grundbesitzes und solcher Grundstücke, die nach Lage, Form und Größe bislang unwirtschaftlich geformt waren. Der Arbeitszeitersparnis und der Möglichkeit des Einsatzes großer Landmaschinen dient auch der Ausbau des Wegenetzes.
Im Flurneuordnungsgesetz fehlen damit auch heute noch maßgebliche Ziele, die eine Flurneuordnung haben müsste. So sind die an Gemeinnützigkeit ausgerichteten Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes, der Erholung u.a. den Agrarzielen deutlich nachgeordnet. Dies verwundert um so mehr, als die Erholung und der Fremdenverkehr, die immer mehr zu einer wichtigen Einkommensquelle der ländlichen Räume werden, auf einer vielfältigen Natur und Landschaft basieren.
Aus Naturschutzsicht überwiegen bei einem Flurneuordnungsverfahren normalerweise auch heute noch die Nachteile, trotz des Bemühens der meisten Flurneuordnungsämter, ökologischen Anliegen verstärkt Rechnung zu tragen. Oft genug ist es die Teilnehmergemeinschaft, nicht die Flurneuordnungsverwaltung, die bestimmte Maßnahmen ablehnt oder zumindest auf die "Restflächen" zurückdrängen will.
Der Landesnaturschutzverband möchte mit dieser Information die Schwachstellen der heutigen Flurneuordnung aufzeigen und Anforderungen an moderne Flurneuordnungsverfahren nennen. Dies geschieht mit dem Ziel, allen Interessierten eine kritische Arbeitshilfe in die Hand zu geben, die dazu beiträgt, die Flurneuordnungsverfahren den heutigen Anforderungen anzupassen.

Das vorliegende Info gliedert sich dazu in:

    1. Gefahren von Flurneuordnungen aus Naturschutzsicht

    Die institutionalisierte Flurneuordnung findet deswegen das besondere Interesse der Naturschützer, weil sie den Charakter eines legalisierten Eingriffes in die Landschaft besitzt und in manchen Fällen (etwa der Rebflurneuordnung des Kaiserstuhls) beachtliche Biotopveränderungen und -vernichtungen nach sich zog (1). Jeglicher Verlust an Vielfalt - sowohl der Arten-und Biotop- als auch der Struktur- und Landschaftsvielfalt - geht u.a. auf Kosten der Attraktivität der Landschaft und damit auf Kosten der erholungssuchenden Bevölkerung, des Fremdenverkehrs und selbst des Landwirts als hier arbeitenden Menschen.
    Ein Reizthema in der Flurneuordnung ist und bleibt auch der Wirtschaftswegebau, der je 100 ha Fläche einige Kilometer Neubauten zur Folge hat. Immerhin werden 73 % der ländlichen Wirtschaftswege im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren hergestellt (1).
    Die ökologischen Vorbehalte gegen den Wirtschaftswegebau gründen sich auf die Flächenversiegelung, die Zerschneidungswirkung, die Wege mit hartem Belag auf Kleintierpopulationen ausüben, sowie auf die nichtlandwirtschaftliche Benutzung der Wege insbesondere durch Nahverkehr. Z.B. in Fremdenverkehrsgebieten wird so eine erhebliche Beunruhigung in die Landschaft hineingetragen. Bei herkömmlichen Verfahren entfallen immerhin 60-70 % der Ausführungskosten auf den Wegebau.
    Eine weitere wichtige Rolle spielt der Ausbau des Gewässernetzes, dient er häufig immer noch der beschleunigten Binnenentwässerung statt der Gewässerrenaturierung und der notwendigen Sicherung von Gewässerrandstreifen sowie Retentionsräumen. Eine Korrektur dieser Fehler wird zwar angegangen, jedoch zögerlich und nur in dem Maße, wie Geldmittel für diese Zwecke vorhanden sind.
    Im Rahmen fast aller Flurneuordnungsverfahren werden Verbesserungen des Boden- und Wasserhaushalts, sog. Meliorationen, durchgeführt. Zu diesen gehören Umbruch, Untergrundlockerung, Dränung, Bewässerung und Planierung (besonders in Weinbergen). Sie führen zur Nivellierung natürlicherweise vorhandener Standortunterschiede und in der Folge zu Verlusten bei der Arten- und Biotopvielfalt. Sie haben daher meist negative Auswirkungen auf das Landschaftsbild, die Erholungseignung und damit den Fremdenverkehr.
    Hinzu kommt, dass Flurneuordnung heute vermehrt einseitig der Bereitstellung von Flächen für Großvorhaben wie Straßenbauten und Flughäfen dient, die trotz bereits vorhandener sehr guter Infrastruktur im Lande politisch immer noch vorrangig behandelt werden. Demgegenüber geraten Gemeinwohlbelange wie die Sicherung einer vielfältigen (Erholungs-)Landschaft, Naturschutzaspekte oder Hochwasserschutzmaßnahmen (Renaturierung von Gewässern, Schaffung von Retentionsflächen, Extensivierung von Gewässerrandstreifen) ungerechtfertigt ins Hintertreffen.

    2. LNV-Forderungen an moderne Flurneuordnungsverfahren

    Das Flurneuordnungsgesetz ist veraltet und deckt nicht diejenigen Anforderungen ab, die heute - auch von der Landesregierung z.B. in deren Naturschutz-Leitlinien oder im Umweltplan - an eine moderne Naturschutzpolitik gestellt werden müssen. Die Abwägung, welche Verfahren wirklich notwendig und gewinnbringend sind (ökonomisch, aber auch ökologisch!), muss sich künftig strenger als bisher an Kriterien der Gemeinnützigkeit orientieren.
    1. Die ökonomische Orientierung darf nicht im Vordergrund stehen. Bei Zielkonflikten müssen rein geldwirtschaftliche Belange hinter die auf Gemeinnützigkeit (§37 Satz 1 FlurbG) ausgerichteten Schutz- und Erholungsfunktionen der Landschaft zurücktreten. Dies muss insbesondere auch für Unternehmensflurneuordnungen gelten. Als gemeinnützige Ziele und Schutzfunktionen sieht der LNV einerseits den Naturschutz im weiteren Sinne an, also neben dem Arten- und Biotopschutz auch den Ressourcen-, Landschafts- und Prozessschutz. Andererseits gehören hierzu der Kulturdenkmalschutz, der Schutz der Erholungsfunktion, der Schutz vor Hochwasser (Schaffung von Retentionsräumen) u.ä. (siehe § 37 (2) FlurbG).

    2. Die Notwendigkeit eines herkömmlichen, d.h. auf Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen zielenden Verfahrens ist unbedingt nachzuweisen. In diesem Falle muss das ökonomische Prinzip gelten, wonach ein optimales Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag für alle Funktionen derartiger Flurneuordnungen anzustreben ist. Daher ist eine Kosten-Nutzen-Analyse für alle derartigen Flurneuordnungsverfahren, auch bereits begonnene, einzuführen und eine naturschutzfachliche Bilanz zu erstellen. Fallen diese negativ aus, ist auf das Verfahren zu verzichten.

    3. Die Anordnung einer Flurneuordnung darf nur erfolgen, wenn
      • Flächen für die Gemeinwohlbelange vorab bereitgestellt sind, etwa durch deren Aufkauf bei Aufgabe eines Hofes. Hierfür sind mindestens 10 % des Flurneuordnungsgebietes für die Realisierung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000, die Biotopvernetzung inkl. Wegrainen, Gewässerrandstreifen, Retentionsflächen und Flächen für die Eigendynamik von Fließgewässern notwendig.
      • sich diese Flächen im Besitz der öffentlichen Hand befinden, wozu eine der Landsiedlung Baden-Württemberg entsprechende GmbH des Landes zu gründen ist. Dem Land bzw. der GmbH ist dazu ein generelles Vorkaufsrecht einzuräumen.

    4. An die Seite der agrarstrukturellen Vorplanung muss gleichrangig eine naturschutzfachliche Vorplanung treten, die in der Flurneuordnung umgesetzt wird. Die Verwaltungsvorschrift (VwV) "Ökologische Bewertung von Landschaftselementen in der Flurneuordnung" sollte aktualisiert, um faunistische Aspekte ergänzt und zu einer solchen VwV "naturschutz-fachliche Vorplanung" erweitert werden (siehe auch § 38 FlurbG).

    5. Aus dieser "naturschutzfachlichen Vorplanung" sind mindestens die folgenden Darstellungen in die Pläne zu Flurneuordnungsverfahren zu übernehmen, und zwar im Maßstab 1:5000 (Baden) bzw. 1:2500 (Württemberg) in Karten mit eingetragenen Flurstücken:
      • alle Flächen mit ihren Entwicklungs-/Nutzungszielen,
      • alle existierenden und geplanten Wege einschließlich der Wegraine,
      • alle kulturhistorischen Landschaftselemente (die generell zu erhaltenden sind),
      • alle Gewässer und ihre Entwicklungsziele (inkl. Retentionsflächen, Gewässerrandstreifen, Flächen für Eigendynamik)
      • alle geschützten und schützenswerten Biotope und naturnahen Landschaftselemente
      • alle Flächen für die Biotopvernetzung bzw. das Schutzgebietsnetz Natura 2000.

    6. Eine Entmischung von intensiv und extensiv genutzten Flächen ist generell zu vermeiden. Zusätzlich sind Schläge von über 2 ha Fläche je nach Landschaftstypus entweder mit Altgrasstreifen oder mit Hecken/Feldgehölzen in Bewirtschaftungsrichtung in Teilflächen von unter 1 ha zu unterteilen, wobei diese Kleinstrukturen eine Mindestbreite von 4 m haben sollen. Drainage und Grünlandumbruch ist grundsätzlich zu verbieten und keinesfalls mit öffentlichen Geldern zu bezuschussen.

    7. Eine Verpflichtung zur Umsetzung bereits existierender anderer Planungen und Konzepte muss festgeschrieben werden, etwa die Umsetzung von Biotopvernetzungskonzepten und die Sicherung sowie der Abschluss von Extensivierungsverträgen für die gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen von mindestens 10 m Breite.

    8. Ferner muss eine Verpflichtung zur zeitgleichen flurneuordnerischen Vorbereitung für die Ausweisung von Wasserschutz- und Überschwemmungsgebieten sowie für die Umsetzung von Gewässerentwicklungsplänen (Renaturierung) nach den Vorgaben der Gewässerdirektionen gegeben sein. Gleiches gilt für sonstige Planungen, etwa Flächenbereitstellung für das Schutzgebietsnetz Natura 2000 (siehe § 5 (2) FlurBG).

    9. Eine flächendeckende "naturschutzfachliche Vorplanung" und deren Berücksichtigung muss ebenso für alle beschleunigten Verfahren erfolgen.

    10. Die anerkannten Naturschutzverbände müssen auch beteiligt werden bei:
      • der Prioritätenliste von Flurneuordnungsverfahren
      • der "naturschutzfachlichen Vorplanung" und
      • jener Teile aus dieser Vorplanung, die verbindlich in das Flurneuordnungsverfahren übernommen werden sollen.

      Wie aus den Forderungen hervorgeht, hält es der LNV für dringend erforderlich, dass die Flurneuordnungsverwaltung in Baden-Württemberg ihre Ziele und Aufgaben wie vorgeschlagen neu definiert und im Gemeinsamen Amtsblatt veröffentlicht.
      Die genannten Anforderungen sind als Ausschlusskriterien zu betrachten, d.h., kann eine dieser Forderungen etwa wegen fehlender Flächenbereitstellung für Gemeinwohlbelange oder aus finanziellen Gründen nicht erfüllt werden, ist die Flurneuordnung so lange aufzuschieben, bis die Bedingung erfüllt ist. Notfalls ist sie ganz aufzuheben.


    3. Erläuterungen zu einigen LNV-Forderungen
      • Kosten-Nutzen-Analyse
        Die vom LNV geforderte Kosten-Nutzen-Analyse für Flurneuordnungsverfahren muß mindestens Auskünfte geben über
        • die voraussichtlichen Kosten, das sind zum einen die Kosten für die Grundeigentümer/Teilnehmer, zum anderen die Kosten für das Land (Zuschüsse, aufgeschlüsselt in externe Kosten für etwa Vermessungen, sowie Sach- und Personalkosten usw.),
        • die zu erwartenden Vorteile für einerseits die Teilnehmer, andererseits die Allgemeinheit
        • die Verteilung der anfallenden Kosten auf die Vermessung, den Flächenkauf, den Wegebau, Naturschutzmaßnahmen, sowie die gemeinnützigen sonstigen Belange
        In der bisherigen Kostenrechnung werden stets nur die Kosten und Gewinne für den Betrieb, nicht jedoch die Staatszuschüsse von bis zu 80 % und die Verwaltungskosten eingerechnet. Bei Gewinnen werden oft diejenigen im Falle reiner Handbearbeitung denen bei perfekter maschineller Ausführung gegenüber gestellt, was längst nicht in allen Fällen berechtigt ist.


      • Flächenbereitstellung und -kauf im Vorfeld
        Zur Behebung der zahlreichen Fehler im Umgang mit Natur und Landschaft in den letzten Jahrzehnten ist ein wesentlich höherer Flächenvorabzug für Gemeinwohlbelange notwendig, der mit den bisherigen Regelungen im FlurbG kaum durchsetzbar ist.
        Zudem ist zu beachten, dass mit der FFH-Richtlinie der EU und ihren Bestimmungen zum Aufbau eines europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000 die bisherige Regelung, wonach Naturschutz Länderangelegenheit sei, nicht länger aufrecht zu halten ist. Bund und Länder sind nach Ansicht des LNV verpflichtet, Möglichkeiten der Fehlerberichtigung des Aufbaus eines Schutzgebietsnetzes zu ermöglichen, indem sie die rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten hierzu einräumen (siehe Kapitel 4).
        Hinzuweisen ist auf die Praxis des Flächenerwerbs für geplante Großvorhaben durch die Landsiedlung BW. Die Gerechtigkeit verlangt, dass dies für Allgemeinwohlbelange noch viel eher möglich sein muss als für die z.T. einseitig ökonomischen Interessen, die hinter Großbauvorhaben stehen und erhebliche Steuermittel verschlingen.
        Mit dem LNV-Vorschlag eines Vorverfahrens zur Bereitstellung der Flächen für Gemeinwohlbelange wie Naturschutz würde die Flurneuordnungsverwaltung die Möglichkeit bekommen, auch Verfahren mit Hauptziel Hochwasserschutz oder Naturschutz anordnen zu können.


      • Naturschutzfachliche Bilanzierung
        Eine Flurneuordnung, die land-/forstwirtschaftlichen Belangen und gemeinnützigen Anforderungen mindestens gleichrangig gerecht wird, muss ferner die folgenden Anforderungen erfüllen, die in einer naturschutzfachlichen Bilanzierung darzustellen sind. Andernfalls darf sie nicht angeordnet werden.
        • In Ackerbaugebieten mit einer durchschnittlichen Ausgangsschlaggröße von etwa 2 ha wird auf eine Flurneuordnung generell verzichtet, weil Natur- und Landschaftsschutzaspekte überwiegen und eindeutige Arbeitszeitgewinne nicht gegeben sind.
        • Für Wegeneu- oder -ausbau, etwa für Gemeindeverbindungsstraßen oder Erschließungsstraßen zu Freizeiteinrichtungen, kommen Flurneuordnungsverfahren nicht in Frage. Derartige Wegeausbauten sind wie Straßenbaumaßnahmen zu behandeln, d.h. für sie muß ein eigenes Genehmigungsverfahren mit Ausgleichspflicht vorgeschrieben sein. Diese Baumaßnahmen entsprechen nicht den Zielen einer Flurneuordnung. Das durch die Flurneuordnung geschaffene Wegenetz wird generell für den nicht-landwirtschaftlichen Verkehr, Radfahren ausgenommen, gesperrt.
        • In Gegenden mit Grenzertragsflächen sind die Voraussetzungen für eine mittelfristig aus ökonomischer wie ökologischer Sicht anzustrebende extensive Nutzung, etwa extensive Beweidung, zu schaffen. Hierzu werden große zusammenhängende Weiden benötigt, jedoch kein dichtes Wegenetz. Das Wegenetz ist in solchen Gebieten daher auszudünnen.
        • Flurneuordnungsverfahren dürfen nicht zum Zweck der Gewinnung zusätzlicher landwirtschaftlich nutzbarer Flächen, etwa durch Entwässerung, durchgeführt werden. In Zeiten brachfallender Äcker und Wiesen ist es weder ökologisch noch volkswirtschaftlich zu verantworten, durch Meliorationen zusätzliches Nutzland zu gewinnen (siehe auch 3.2.2 der Förderrichtlinie Flurneuordnung).
        • Die für Naturschutzzwecke bereitgestellte Fläche (inkl. der extensiv genutzten) ist nach der Flurneuordnung größer als zuvor und beträgt mindestens 10 % der Verfahrensfläche. Eine Bilanz, getrennt nach Flächenerhalt und Neuanlage sowie jeweils auch nach Biotoptypen, ist im Vergleich zur gesamten Fläche des Flurneuordnungsgebietes zu erstellen. Getrennt aufzuführen sind Wegelängen, Fließgewässerlängen, Retentionsflächen, Streuobst-/Feld-gehölz-/Heckenflächen sowie Grünlandflächen.
        • Wegebilanz:
          Die durch Wege versiegelte Fläche (Schwarzdecken) ist nach der Flurneuordnung geringer als zuvor. Das Wegenetz überschreitet insgesamt 5 km/100 ha nicht (1) und wird beidseits von mindestens 2 m breiten Wegrainen begleitet, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden und von mißbräuchlicher Nutzung durch die Landwirtschaft auszuschließen sind.
        • Fließgewässer-Längenbilanz:
          Durch Umsetzung von Renaturierungen muß die Gesamtlänge der Fließgewässer nach der Flurbereiniung länger als zuvor sein.
        • Retentionsflächenbilanz:
          Durch Ausweisung von Überschwemmungsgebieten, Sicherung vorhandener und Schaffung neuer Retentionsflächen, Rückverlegung der ackerbaulichen Nutzung aus dem unmittelbaren Auenbereich und durch Ausweisen und Extensivieren von Gewässerrandstreifen muß die Fläche, die der Wasserretention im Hochwasserfall und dem Fließgewässer für die Eigendynamik (Bettverlagerung) zur Verfügung gestellt wird, um ein Vielfaches größer als vor der Flurneuordnung sein.

      • naturschutzfachliche Vorplanung
        Aufbauend auf einer faunistischen und floristischen Bestandserhebung muß die Darstellung der Ziele des Naturschutzes erfolgen (Naturschutz im weiteren Sinne, also neben Arten- und Biotopschutz auch Ressourcen-, Landschafts- und Prozessschutz). Beim derzeitigen Verfahren werden Notwendigkeiten und Wünsche des Naturschutzes häufig zu spät bekannt und daher nicht mehr berücksichtigt.

        Der LNV fordert für eine moderne "naturschutzfachliche Vorplanung" folgende Inhalte:
        • faunistische Erhebungen: Die Ergänzung der rein vegetationskundlich ausgerichteten Erhebungen nach der alten VwV "Ökologische Bewertung von Landschaftselementen" durch faunistische Erhebungen ist dringend notwendig. Derzeit steht die Bewertung von Landschaftselementen in Flurneuordnungen qualitativ weit hinter Standards von Umweltverträglichkeitsstudien (UVS) zurück.
          Normalerweise sind mindestens folgende Artengruppen zu untersuchen:
          • mindestens 4 Wirbellosen-Gruppen: Laufkäfer, Heuschrecken, Wildbienen, Libellen
          • mindestens 3 Wirbeltiergruppen aus: Säuger, Vögel, Amphibien, Reptilien.

          Standardisierte Erhebungsmethoden sind bekannt und sind anzuwenden (siehe etwa Reck 1992).
        • generelle Erfassung besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten nach den einschlägigen Rechtsvorschriften: FFH-RL, Vogelschutz-RL, BArtenSchVO, Rote Listen der Bundesrepublik Deutschland und von Baden-Württemberg sowie der vorhandenen Lebensraumrequisiten dieser Arten, §24a-Biotope (NatSchG), § 30a-Biotope (LWaldG).
        • qualitative Beschreibungen der Naturausstattung: Zur naturschutzfachlichen Bewertung ist ein Punktesystem, wie es in der jetzigen VwV "ökologische Bewertung von Landschaftselementen" festgeschrieben ist, ungeeignet und daher durch qualitative Beschreibungen zu ersetzen. Die Vorschriften der § 24a-Biotopkartierung können hierfür als Orientierung dienen.
        • verbindlicher Naturschutzfachplan: Die "naturschutzfachliche Vorplanung" muss dann in einen verbindlichen Naturschutzfachplan zum Flurneuordnungsverfahren münden, der die Umsetzungspflichten festschreibt: Maßnahmen zur Sicherung (Bestand und zeitliche Kontinuität), Verbesserung und Vernetzung von Lebensräumen (Biotopvernetzung), zur Entflechtung von Nutzungskonflikten, zur Aufwertung des Landschaftsbildes, zur Besucherlenkung, zum Hochwasserschutz usw.
        • Eine eigene VwV "naturschutzfachliche Vorplanung für den Waldbereich" ist notwendig, da die VwV "ökologische Bewertung" nicht für Wald-Flurneuordnungen geeignet ist.
        • unabhängige Gutachter: Aus Gründen der Fachkompetenz und der Unabhängigkeit muss die "naturschutzfachliche Vorplanung" von unabhängigen Gutachtern durchgeführt werden und möglichst bis zum Abschluss des Verfahrens von diesen Gutachtern betreut werden. Die durchschnittlich 0,7 Landespfleger pro Flurneuordnungsamt sind für diese Aufgabe weder zeitlich noch fachlich - in der Lage. Für die Datenerhebung ist mindestens 1 Jahr Zeit vorzusehen.
        Bereits laufende Verfahren sollten nach den neuen Kriterien nochmals überarbeitet werden.

      Plandarstellungen in Flurneuordnungsverfahren
      In den Plänen zu Flurneuordnungsverfahren sollten im Maßstab 1:5000 (Baden) bzw. 1:2500 (Württemberg) in Karten mit eingetragenen Flurstücken dargestellt werden:

      1. Flächen mit ihren Entwicklungs- bzw. Nutzungszielen
        • die von der Flurneuordnung auszuschließenden Gebiete (Lebensraumerhalt ohne Eingriffe und Störungen)
        • Flächen, auf denen Nutzungsänderungen vermieden werden müssen
        • Flächen, auf denen Nutzungsänderungen erwünscht sind (Lebensraumaufwertung)
        • Flächen mit Vorkommen besonders geschützter Tier- oder Pflanzenarten nach BArtenSchVO, FFH-RL (EU), Vogelschutz-RL (EU), Roten Listen (D, BW)
        • Flächen, die aus Gründen des Artenschutzes allenfalls durch Wege mit wassergebundener Decke erschlossen werden dürfen
        • Flächen, die aus Gründen des Artenschutzes nicht mit durchgehenden Wegen erschlossen werden dürfen
        • Flächen für die Biotopvernetzung
        • Bereiche für Materialentnahmestellen. Hier ist stets zu prüfen, ob auf eine Überdeckung, die aus Gründen des Grundwasserschutzes oft notwendig ist, nicht verzichtet werden kann. Derartige Materialentnahmestelle sind als kostenlose Trocken- oder Magerstandort von großem naturschutzfachlichem Wert.
        • Flächen mit/für Ausgleichsmaßnahmen (nicht auf Flächen in Privatbesitz auszuweisen)

      2. Wege
        • Wege, die in ihrer Linienführung für das Landschaftsbild und die Erholungsvorsorge wichtig sind und daher nicht verändert werden dürfen
        • Wege, die ein Geschichtszeugnis darstellen und daher nicht verändert werden dürfen
        • Wege, deren Linienführung zu ändern ist, um den Weg schonender in die Landschaft einzufügen und damit den Erholungswert zu verbessern
        • Hohlwege (geschützt nach §24a NatSchG), die allenfalls auf einer Seite verbreitert werden dürfen
        • alle Wegraine (Mindestbreite je 2 m), wobei die Landwirte deutlich darauf hinzuweisen sind, dass sich diese Flächen in öffentlichem Besitz befinden und weder umgepflügt noch mit Pestiziden behandelt werden dürfen.
        • Straßenabschnitte, an denen Flächen für Begrünungsmaßnahmen auszuweisen sind
        • Wege, die wegfallen sollen

      3. kulturhistorische Landschaftselemente, die generell zu erhaltenden sind
        • alte Grenzen und Grenzsteine
        • Wüstungen nach Hinweisen im Gelände oder aus Flurkarten
        • Schutzhütten und Ruhestätten
        • Erdkeiler
        • sonstige kulturhistorische Landschaftselemente
        • alte Schaftriebwege, die grundsätzlich wiederherzustellen und in Gemeindebesitz zu überführen sind

      4. alle Gewässer und Schutzgebiete nach Wasserrecht
        • Stillgewässer, die zu erhalten oder auszuweiten sind
        • Bereiche oder Flurstücke, in welchen Stillgewässer anzulegen sind
        • Rinnsale, Feuchtstellen, Quellen, die erhalten oder renaturiert werden müssen
        • offenzulegende oder zu renaturierende Bachabschnitte
        • alle Gewässerrandstreifen, sowie zusätzliche Retentionsflächen, die dem Fließgewässer auch eine eigenständige Dynamik erlauben
        • einzuhaltende Mindestabstände von Wegen zu bestimmten Gewässern
        • bestehende und geplante Wasserschutz- und Überschwemmungsgebiete

      5. Biotope, naturnahe Landschaftselemente und Schutzgebiete
        • § 24a-Biotope (NatSchG) und § 30a-Biotope (LWaldG), Naturdenkmale, Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete und wenn Wald betroffen ist, auch Schon- und Bannwälder
        • sonstige Hecken, Bäume, Sträucher, Trocken-, Naß- oder Magerstandorte, Raine, Böschungen, die zu erhalten sind, weil sie entweder unverzichtbare Landmarken, Lebensraum bedrohter oder im Plangebiet seltener Tiere und Pflanzen oder wesentliche Grundlage des aufzubauenden Biotopverbundes darstellen.
        • Waldsäume, die unverändert (z.B. nicht begradigt) bleiben müssen und in deren Bereich auf Traufwege zu verzichten ist


      4. Flurneuordnung zu Naturschutzzwecken
      Unter dem derzeitigen gesetzlichen Rahmen der Ziele und Bedingungen einer Flurneuordnung lehnt der LNV Flurneuordnungsverfahren zu Naturschutzzwecken mit einzelnen Ausnahmen, wie etwa in ausgeräumten Landschaften, ab.
      • Die Erfahrung hat gezeigt, dass Flurneuordnungsverfahren stets, wie im Gesetz vorgeschrieben, zunächst die Vorgaben der Flurneuordnung erfüllen, also die verbesserte Bewirtschaftung ermöglichen müssen, bevor auch Ziele des Allgemeinwohls wie Naturschutz oder Hochwasserschutz damit umgesetzt werden können. Zusätzlich ist in Zeiten leerer Kassen zu beobachten, dass die Gemeinden für Naturschutzmaßnahmen keine Gelder zur Verfügung stellen wollen.
      • Flächenerwerb über eine Unternehmensflurneuordnung oder Enteignung zu Naturschutzzwecken ist mangels gesetzlicher Grundlage ohnehin nicht zulässig. Auch das Naturschutzrecht bietet keine gesetzliche Grundlage für eine Flurneuordnung zu Naturschutzzwecken.
      • Beschleunigte und vereinfachte Flurneuordnungsverfahren sind für die Betroffenen zwar wünschenswert, für Naturschutzzwecke jedoch ungeeignet, weil sie ohne Neuvermessungen ablaufen und der Erwerb von etwa Gewässerrandstreifen damit kaum möglich ist.

      Der LNV kommt aus Erfahrung heraus zu dem Schluss, dass unter den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen Flächentausch für den Naturschutz meist gewinnbringender ist als ein Flurneuordnungsverfahren zu Naturschutzzwecken, zumal die Naturschutzverwaltung im Vergleich zur Flurneuordnungsverwaltung hierfür kaum Mittel zur Verfügung hat.
      Die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe "Agrarstruktur" aber stehen bislang nicht für ausschließliche Zwecke des Naturschutzes zur Verfügung, sondern nur für notwendig werdende Ausgleichsmaßnahmen. Folglich sind Mittel der Länder erforderlich. Mittel der Flurneuordnungsverwaltung können nur eingesetzt werden, wenn gleichzeitig eine Verbesserung der Agrarstruktur erfolgt. (Siehe 3.4.3 in Verbindung mit 6.3.4.1 der RL Flurneuordung).
      Der LNV fordert deshalb eine grundlegende Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" um Naturschutz "im weiteren Sinne", der nebst Arten- und Biotopschutz auch den Ressourcenschutz (Boden, Wasser, Luft/Klima), den Landschafts- und Prozessschutz mit einschließt. Er erwartet von der Flurneuordnungsverwaltung, insbesondere jedoch von der Landesregierung, dass sie sich auf Bundesebene für diese Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe einsetzt.
      Die zwischenzeitlich erfolgte Erweiterung um den Vertragsnaturschutz reicht hierfür nicht aus.

      Wir geben mit diesem Papier auch und vor allem den Anstoß, die Landesregierung möge die Initiative ergreifen, die überfällige Novellierung des Flurneuordnungsgesetzes aus dem Jahr 1976 als politisches Ziel für die neue Legislaturperiode in Angriff zu nehmen und den LNV dabei frühzeitig in die hierzu zu leistende inhaltliche Arbeit einzubinden.

      5. Literatur

      1. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1985): Umweltprobleme der Landwirtschaft. Sondergutachten. Kohlhammerverlag Stuttgart, Mainz, ISBN 3-17-003285-2.
      2. Reck H (1992): Arten- und Biotopschutz in der Planung. Empfehlungen zum Untersuchungsaufwand und zu Untersuchungsmethoden für die Erfassung von Biodeskriptoren. Naturschutz und Landschaftsplanung 4/92:129-135.
      3. BUND-Information 38 (1986): Flurneuordnung. Leitfaden für Naturschutzverbände, Behörden, gewählte Volksvertreter, Teilnehmergemeinschaften und interessierte Bürger. (vergriffen)
      4. Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg (1997): Mitarbeiterzirkel "Planung und Steuerung in der Flurneuordnungsverwaltung". Ergebnisse. Schriftenreihe des LAFN Heft 6.

      Rechts- und Verwaltungsvorschriften
      1. FlurbG vom 16.03.1976 BGBl I S. 546, zuletzt geändert durch gesetz vom 23.08.94 BGBl I S. 2187
      2. VwV Ökologische Bewertung von Landschaftselementen in der Flurbereinigung vom 15.10.84 Az 46-4650
      3. Richtlinie des Ministeriums für Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Förderung der Flurbereinigung in Baden-Württemberg vom 4.7.88 Az 46-8561.00, GABl S. 697


      gez. Dr. Anke Trube

      P.S.: Die LNV-Geschäftsstelle ist für Verbesserungsvorschläge und weiterführende Hinweise jederzeit dankbar!

       


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