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INFO 7/2001
Verkehrssicherungsmaßnahmen
an Felsen
Ausgangslage:
Die Notwendigkeit der Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Verkehrssicherheit an Straßen, die unterhalb von Felsen vorbeiführen, wird nicht in Frage gestellt. Alle Beteiligten sollen sich aber darüber im Klaren sein, dass 100 %ige Sicherheit nicht zu haben ist.
Bisher sind Baumaßnahmen zur Verkehrssicherung gegen Stein- und Felsschlag häufig ohne die erforderliche Rücksichtnahme auf Schäden an der Natur und offenbar auch ohne ausreichende Beachtung einschlägiger Naturschutzbestimmungen
(Artenschutzbestimmungen, § 24 a NatSchG, Schutzgebietsverordnungen, FFH- und Vogelschutzrichtlinie) geplant und durchgeführt worden.
Forderungen von Seiten des Naturschutzes:
Bei der Planung von Sicherungsmaßnahmen an Felsen muss von Anfang an die Bedeutung von Felsen als besonders geschützte Biotope (§ 24 a NatSchG bzw. Natura 2000-Gebiet) mit bedacht werden. Felsen gehören in Baden-Württemberg zu den seltenen Naturbildungen und stellen bedeutende Lebensräume für seltene Tiere und Pflanzen dar. Die Fragen des Naturschutzes dürfen nicht nachrangig behandelt werden oder gar ganz vernachlässigt werden. Im Rahmen notwendiger Verkehrssicherungsmaßnahmen an Felsen müssen Schäden an den wertvollen Felsbiotopen so weit wie möglich vermieden werden. Deshalb ist parallel zum geologischen Gutachten ein ökologisches Gutachten zu erstellen.
Eine Abwägung von Aufwand und zu erwartendem Erfolg der Maßnahmen unter Berücksichtigung möglicher Schäden an der Natur muss wesentlicher Bestandteil der Umsetzung der Planungen sein. Es ist zu überprüfen, welche technischen Maßnahmen (in Abhängigkeit vom betroffenen Gestein) überhaupt zweckdienlich sind. Dabei ist stets der ökologisch verträglichsten Lösung der Vorzug zu geben.
Naturverträgliche verkehrssichernde Maßnahmen:
(nach: Bund Naturschutz Alb-Neckar e. V., Resolution zur Felssanierung an Steigen der Schwäbischen Alb und Vorschlägen von Friedrich Schilling, Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz, zur "Sanierung" von Albsteigen mit Begründungen)
- keine Felssprengungen:
Die witterungsbedingte Erosion findet bessere Angriffsflächen als vorher und verstärkt sich dadurch. Das heißt, die Sanierungserfolge werden konterkariert. Weiterhin kann sich auf durch Felssprengung entstandenen Rohfelsen nur in langen Zeiträumen wieder eine natürliche, wertvolle Felsvegetation einstellen.
- Keine Felsversiegelung durch flächige Betonverspritzungen:
Diese täuschen lediglich über die tatsächliche Brüchigkeit des darunter liegenden Gesteins hinweg, vernichten aber flächig die Felsflora und -fauna und stören das Landschaftsbild am Felsen erheblich.
- Drahtgitter über freistehenden Felsflächen dürfen nur als letztes Mittel angebracht werden. Diese Gitter behindern stark die Wahl von Brutplätzen durch wildlebende Vögel und stören das Landschaftsbild erheblich.
- Das wirksamste Mittel zur Sicherung des Straßenverkehrs unterhalb von Felsen bei gleichzeitiger Schonung von Natur und Landschaftsbild sind kräftige Fangzäune aus rostfreiem Material unterhalb der Felsen. Von diesen wäre in der Regel nur die Waldbewirtschaftung betroffen, Felsflächen oder Trockenrasen müssten ausgenommen werden. In Steillagen müssten gegebenenfalls zwei Fangzäune übereinander installiert werden, bei sehr langen Fangzäunen müssten gegeneinander versetze Lücken für Wildwechsel gelassen werden.
- Befinden sich zwischen Fels und Straße breitere Waldflächen, kann durch hangparalleles Fällen älterer Bäume und deren Belassen im Wald ein zusätzlicher Schutz geschaffen werden, der kleinere Gerölle und Felsgrus zumindest zeitweise zurückhält. Die Schaffung eines dichten, stabilen Waldbestandes aus standortgerechten, heimischen Laubbäumen trägt ebenfalls zur Sicherung der Straße durch Rückhaltung von Felssturzmaterial bei. Eine Zusammenarbeit von Straßenbau- und Forstverwaltung muss bei entsprechenden Gegebenheiten regelmäßig stattfinden.
Straßensicherung durch forstliche Maßnahmen
Hangwälder zwischen Felsen und Straßen sind in der Waldfunktionskartierung stets als "Straßenschutzwald" ausgewiesen. Hier sind die Möglichkeiten, die Steinschlaggefahr durch gezielte Waldbehandlung auszuschalten oder zu verringern, konsequent zu nutzen. Dadurch können technische Maßnahmen im Felsbereich ergänzt und gegebenenfalls reduziert oder sogar überflüssig werden.
Unter anderem bieten sich folgende Möglichkeiten:
- Bestände im außerregelmäßigen Betrieb werden auf niederwaldartige Bewirtschaftung hingeführt. Durch Belassen hoher Stöcke, fischgrätförmiges Zusammenwerfen der Baumkronen nach unten und soweit möglich durch Querlagerung von Bäumen können wirksame Steinfänge geschaffen werden. Regelmä-ßig wiederkehrende Hiebe - gegebenenfalls in Verbindung mit ohnehin angeordneten Sperrungen der Straße für Unterhaltungsarbeiten - fördern die Verjüngung durch Stockausschläge und Kernwüchse und entwickeln mit der Zeit eine optimale Schutzstruktur. Besonders widerstandsfähige Baumarten wie Hainbuche, Winterlinde und Mehlbeere werden dabei gezielt gefördert.
- Bestände im Wirtschaftswald auf besseren Standorten werden nach den Grundsätzen der naturnahen Waldwirtschaft mit abgesenktem Starkholzvorrat behandelt.
- In jedem Fall ist ein hoher Anteil an liegendem Totholz herbeizuführen und ge-gebenenfalls aufzufrischen.
Die Übernahme der für den Straßenschutz anfallenden Mehrkosten der Waldbewirtschaftung sind zwischen Waldbesitz, Forstverwaltung und Straßenbauverwaltung abzusprechen. Sie sind auf jeden Fall deutlich geringer als die Kosten technischer Sicherungsmaßnahmen.
Ablauf von Planung und Durchführung von Felssicherungsmaßnahmen:
In der Regel ist für solche Maßnahmen kein förmliches Genehmigungsverfahren erforderlich, es sei denn, es handelt sich um Maßnahmen, die im Rahmen eines Straßenneu- oder -ausbaus erfolgen. In solchen Fällen sind die unten genannten Bestimmungen im Rahmen eines Plangenehmigungs- oder Planfeststellungsverfahrens zu beachten. Die Mehrzahl der Maßnahmen können aber ohne Genehmigungsverfahren geplant und durchgeführt werden.
Die Bestimmungen der Naturschutzgesetze des Bundes und des Landes müssen in diesen Fällen von der ausführenden Behörde - also dem Straßenbauamt - geprüft und beachtet werden. Folgende Vorschriften sind zu beachten:
- Grundsätzlich sind die Bestimmungen des § 20f BNatSchG "Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten" zu beachten. Die ausführende Behörde muss demnach prüfen, ob wildlebende Pflanzen und/oder Tiere und/oder deren Standorte bzw. Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten von den geplanten Maßnahmen betroffen sind und hat die Bestimmungen des Gesetzes zu beachten.
- Regelmäßig muss bei der unteren Naturschutzbehörde eine Ausnahme nach § 24a (4) Naturschutzgesetz beantragt werden.
- Für Natura 2000-Gebiete ist zusätzlich die Verträglichkeit nach § 19c Bun-desnaturschutzgesetz zu prüfen (FFH-Verträglichkeitsprüfung; nach der Definition von § 19a (2) gelten als Projekte auch Maßnahmen, sofern sie von einer Behörde durchgeführt werden).
- Sind die betroffenen Felsen als Naturdenkmal ausgewiesen oder Bestandteil von Landschafts- oder Naturschutzgebieten, ist bei der zuständigen Naturschutzbehörde eine Befreiung von den Bestimmungen der Verordnung(en) einzuholen.
- Die planende und ausführende Behörde hat für den Einzelfall zu prüfen, ob es sich bei der Maßname um einen Eingriff im Sinne der Eingriffsrege-lung nach § 8 BNatSchG handelt. Trifft dies zu, sind Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung und zum Ausgleich des Eingriffes zu planen und zu realisieren.
Nach der Erfahrung des Landesnaturschutzverbandes finden die oben aufgeführten naturschutzrechtlichen Bestimmungen bislang bei der Planung und Durchführung von Felssicherungsmaßnahmen häufig nicht die korrekte Beachtung.
Daher stellt der LNV für den Ablauf der Planung und Durchführung von Felssicherungsmaßnahmen folgende weitergehende Forderungen auf, die dafür sorgen sollen, dass Verkehrssicherheit und Naturschutz gleichermaßen beachtet werden und mögliche Konflikte schon im Vorfeld erkannt und möglichst vermieden werden:
- Der Landesnaturschutzverband fordert, regelmäßig über geplante Verkehrssicherungsmaßnahmen informiert und von Anfang an in die Planungen/Verfahren einbezogen zu werden.
- Es sollen parallel ein geologisches und ein ökologisches Gutachten erstellt werden.
- Erst nach Auswertung beider Gutachten durch die Straßenbauverwaltung sollen die erforderlichen Maßnahmen endgültig festgelegt werden. Art und Ausführungsweise sollen hierbei zwischen den Gutachtern beider Fachrichtungen abgestimmt werden.
- Der Bauablauf soll durch eine ökologische Baubegleitung flankiert werden.
Aufgaben der ökologischen Baubegleitung könnten sein:
- - Definierung von Vorgaben zur ökologischen Bauausführung
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- - Gewährleistung relevanter Naturschutzauflagen in der Planung der Maßnahme und bei der Bauausführung
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- - Aufklärung der Bauleitung und der an der Ausführung Beschäftigten über Sinn und Zweck von Naturschutzauflagen
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- - Kennzeichnung von "Tabuzonen" im Baustellenbereich
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- - Kontrolle der Einhaltung und Umsetzung von Vermeidungs-,
Minderungs- und Ausgleichsmaßnahmen
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- - Prüfung einer weiteren Reduzierung von Eingriffen
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- - Prüfung bei Erweiterung des Eingriffsumfangs
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- - Kontrolle der ordnungsgemäßen Rekultivierung bzw. Renaturierung von Baustelleneinrichtungen und Baustraßen
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- - Dokumentation des Bauablaufs.
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