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INFO 2/2005

Für eine umweltgerechte Energieversorgung

Der Landesnaturschutzverband (LNV) und die Arbeitsgemeinschaft der Badisch-Württembergischen Bauernverbände streben den Ausbau erneuerbarer Energien an. Sie fordern die Landesregierung auf, weitere konkrete Schritte im Einklang mit dem im Umweltplan des Landes verankerten Ziel einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung zu unternehmen.
CO2-neutrale Verfahren müssen in der Praxis stärker verbreitet werden. Der Ver-brauch endlicher Energieträger (Öl, Gas, Kohle und Kernkraft) muss konsequenter als bisher zurückgeführt werden, um die Zunahme globaler Klimaprobleme einzu-dämmen und den nachfolgenden Generationen mehr Ressourcen zu erhalten.

Biomasse - eingefangene Sonnenenergie

Biomasse nimmt unter den verschiedenen Formen der erneuerbaren Energien eine wesentliche Rolle ein. Für das Jahr 2010 prognostizieren Experten für die Biomasse - ausgehend von einem bereits heute hohen Nutzungsbeitrag - einen Anteil von rund 75 % an den erneuerbaren Energieträgern. Das Potential kann kurzfristig erschlossen werden.

Biomasse entsteht durch Wachstum von Pflanzen in Feld, Wald und Wiesen. Die Pflanzen haben die Fähigkeit, nicht endende Sonnenenergie einzufangen und mit Hilfe natürlicher Miniatur-Kraftwerke (grünes Chlorophyll) umzuwandeln in organische Stoffe. Organische Masse kann durch Verbrennung oder Vergärung in nutzbare Energie umgesetzt werden.

Die energetische Nutzung von Biomasse kann einen großen Beitrag leisten zum Schutz der Umwelt und zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe im ländlichen Raum. Vordringlich müssen Stoffe energetisch verwertet werden, die bisher als Nebenprodukte anfallen: Stroh, Gülle, Sägereiabfälle, Waldrestholz etc. Daneben kann Biomasse auch gezielt als erneuerbare Energie angebaut werden. Die Land- und Forstwirtschaft verfügt über große Flächen, Technik und Know-how für die nachhaltige Erzeugung von Biomasse. Beträchtliche Mengen an Biorohstoffen können zur Erzeugung von Energie eingesetzt werden und so Öl, Gas, Kohle und Kernkraft in spürbarem Umfang ersetzen.

Folgende positive Effekte hätte eine entsprechende Strategie:
- Einsatz nahezu CO2-neutraler Energieträger statt fossiler Brennstoffe
- Verbesserung des Wirtschaftsdüngers durch Vergärung in Biogasanlagen (Pflanzenverträglichkeit,
  &nbsp Nachbarschaftsakzeptanz)
- Alternatives Einkommenspotential für die Land- und Forstwirte
- Positive Wirkungen auf die regionalen Arbeitsmärkte
- Regionale Wertschöpfung statt Energie-Import und Kaufkraftabfluss ins Ausland
- Verringerung von Öltransporten und Meeresverschmutzungen

Bauernverbände und LNV setzen sich für eine verstärkte Förderung und bessere Rahmenbedingungen für die stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse, insbesondere der Energiegewinnung aus Holz, Biogas und landwirtschaftlichen Kulturen ein. Sie fordern die Landesregierung auf, entsprechend den Zielen des Umweltplanes mehr zu tun. Das Land hat sich im Umweltplan das Ziel gesteckt, nicht erneuerbarere Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen.

Trotz der bestehenden Förderung durch Bund und Land bleibt die Nutzung der Biomasse noch deutlich hinter dem nutzbaren Potential zurück. Hier hat die Landespolitik noch erhebliche Aufgaben, aber auch Chancen für eine profilierte Klimaschutzpolitik. Um das Ziel der Landesregierung zu erreichen, den Anteil der erneuerbaren Energien zu verdoppeln, muss parallel auf mehreren Feldern gehandelt werden:
- Fortführung und Verbesserung der finanziellen Förderung
- Senkung der Hemmschwelle bei den Beteiligten (Bauern, Kommunen)
- Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Genehmigungen, Grenzwerte)
- Intensive Öffentlichkeitsarbeit (Fortsetzung der "Europäischen Biomassetage der Regionen")
- Konzeption zur sinnvollen Verwertung dezentral anfallender Wärme
Solange in die Preise der Energie aus fossilen Brennstoffen die externen Umwelt-kosten nicht einbezogen werden, sind derzeit nur in Ausnahmefällen rentable Investitionen ohne direkte Förderung möglich. Das Interesse kommunaler und öffentlicher Stellen im ländlichen Raum, durch innovative Nahwärme-Konzepte einen Markt für Energie aus Biomasse zu schaffen, ist noch zu wenig ausgeprägt.

Drei konkrete Wege:

1. Energie aus Holz

In Baden-Württemberg werden derzeit rund 1 Mio. Festmeter Holz als Brennholz genutzt. Eine weitere Mio. Festmeter Waldholz aus der Forstwirtschaft und rund eine Mio. Festmeter Industrie-Restholz könnten derzeit bei ökologisch sinnvoller Waldnutzung energetisch verwendet werden. Der Anteil von Holz am Primärenergieverbrauch lag im Jahr 2000 bei 1,2 %. Das entspricht ca. 50 % der gesamten Energiemenge aus erneuerbaren Energieträgern im Land.

Auf kommunaler Ebene sind teilweise noch Unkenntnis und Vorurteile gegenüber Holz-Nahwärmenetzen vorhanden. Hier ist zumindest eine ernsthafte Auseinander-setzung mit dem Thema nötig. Beispielsweise sollte in Bebauungsplänen über 50 Wohneinheiten und bei öffentlichen Bauvorhaben mit einer Heizleistung über 200 kW eine Prüfpflicht für eine Energieversorgung auf Holzbasis eingeführt werden. Sie müsste sowohl die Wirtschaftlichkeit wie auch die Umweltauswirkungen umfassen. Moderne Holzheizungen halten alle geltenden Emissionsvorschriften ein und sind bedienungs- und wartungsfreundlich.

Umweltfreundliche Holzhackschnitzelanlagen arbeiten erst ab einer gewissen Größe (Wirtschaftlichkeitsgrenze bei 150 - 200 kW) günstig. Sie bieten sich insbesondere für öffentliche Einrichtungen insbesondere der Kommunen an. In privaten Wohnhäusern wird die notwendige Größe in der Regel mit einem Nahwärmenetz erreicht, an das die Mehrzahl der Häuser eines Gebietes angeschlossen wird (Benutzungs-, mindestens aber Anschlusszwang). In landwirtschaftlichen Betrieben können aufgrund günstiger Rahmenbedingungen wesentlich kleinere Anlagen ebenfalls wirtschaftlich sein. Kommunen, die solche Netze in Neubaugebieten planten, bewegen sich bisher in einer rechtlichen Grauzone. Ist ein Anschluss- und Benutzungszwang an eine bestimmte Energieart zulässig, um die Umwelt zu schützen? Darf eine Kommune den Anschluss an ein Nahwärmenetz im Kaufvertrag vorschreiben? Nach dem "Wahlstedt-Urteil" des OVG Schleswig vom August 2002, AZ 2L30/00 ist in bestimmten Fällen eine Anschluss- und Benutzungssatzung für umweltfreundliche Fernwärme aus Gründen der globalen Umweltvorsorge zulässig.

Das zuständige Landesministerium hat - im Gegensatz zu anderen Bundesländern - bisher in diesen Fragen keine verbindlichen rechtlichen Aussagen getroffen. Es ist deshalb erforderlich, in der Gemeindeordnung den Spielraum der Kommunen zu erweitern. Eine Anschlusspflicht an Nahwärme darf nicht nur zur Vermeidung der klassischen Schadstoffe SO2, NOx und Ruß (heute beim Hausbrand fast vernachlässigbar) möglich sein, sondern auch zur Vermeidung global wirksamen Kohlendioxid-Emissionen.


2. Biogas-Energie aus der Tierhaltung

Das mögliche energetisch nutzbare Aufkommen an Biogas aus der landwirtschaft-lichen Tierhaltung entspräche für Baden-Württemberg rund 1 % des derzeitigen Primärenergieverbrauchs. Dieser Anteil kann durch Kofermentation von land-wirtschaftlichen Pflanzen und organischen Abfällen noch deutlich gesteigert werden. In Biogasanlagen wird energiereiches Gas mit Hilfe von Generatoren in Strom und Wärme umgewandelt. Die Vergärung von Gülle führt zu weiteren Vorteilen. Vergorene Gülle ist besser pflanzenverträglich und verursacht bei der Ausbringung weniger Geruchsprobleme. Für vieharme Regionen kann die Biogasvergärung eine Option zur weiteren Nutzung von Grünland sein.

Aus energiewirtschaftlichen Gründen sowie zur Verbesserung im Sinne einer umwelt- und pflanzenverträglichen Gülleanwendung müssen Biogasanlagen besser als bisher gefördert werden. Anzustreben ist eine Erhöhung der gesetzlichen Vergütung für eingespeisten Strom. Auch muss in der landwirtschaftlichen Beratung das Aufzeigen der Möglichkeit der Biogaserzeugung im landwirtschaftlichen Betrieb einen höheren Stellenwert erhalten als bisher.

Ebenso wichtig sind günstige rechtliche Rahmenbedingungen für die Biogas-nutzung, die derzeit gefährdet sind. Die Anwendung des Abfallrechts auf Gülle und die Umsetzung der Bioabfallverordnung drohen die Biogasnutzung bürokratisch zu ersticken. Eine Vereinheitlichung der Genehmigungsverfahren muss angestrebt werden. Diese sind in verschiedenen Rechtsvorschriften geregelt (BauGB, BImSchG, UVPG, KrW-/AbfG, BioAbfVO, TierKPG) und finden je nach Standort im Außenbereich oder im Gewerbegebiet, nach Massendurchsatz sowie auch nach Herkunft und Zusammensetzung des Substrates Anwendung.

Um Biogasanlagen mit vereinfachtem Genehmigungsverfahren realisieren zu können, wäre eine Ergänzung der nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben um den Bereich der Biogasanlagen sinnvoll und hilfreich. Hierzu wird vorgeschlagen, die Ziffer 6 in § 35 Abs. 1 BauGB wie folgt zu fassen: Privilegiert sollte ein Vorhaben sein, das "der Herstellung und Nutzung der Energie aus Biomasse im funktionalen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb dient, soweit die Biomasse überwiegend aus demselben und aus naheliegenden Betrieben stammt."

Die Ungleichbehandlung von Biogasanlagen und Güllebehältern im Genehmigungsverfahren in Wasserschutzgebieten muss dringend beseitigt werden: Im Biogasmerkblatt der Regierungspräsidien werden für Biogasanlagen im Wasserschutzgebiet III doppelwandige Behälter als Genehmigungsanforderungen genannt, bei reinen Gülletanks sind nur einwandige Behälter gefordert.

3. Energie vom Feld

In Regionen mit dauerhaften Überschüssen an Biomasse ist die Verbrennung in zentralen Heizanlagen - wie z.B. die Strohverbrennung in Dänemark - sinnvoll. Die bestehenden Zuschussprogramme sind für solche Anlagen zu öffnen.
Im Rahmen der Flächenstillegung können brachliegende Felder- von der EU finanziell unterstützt - für die Erzeugung von Biomasse genutzt werden. Beispiele hierfür sind die Erzeugung von RME (Rapsmethylester) als Biodiesel, die Verbrennung von Stroh sowie die Mitvergärung von Feldfrüchten. Aus Naturschutzsicht ist dabei von besonderem Interesse, dass z. B. neben dem Aufwuchs von Intensivgrünland (Silage) auch Grün- und Schnittgut aus Landschaftspflegeeinsätze Verwendung finden kann.

Durch gezielten Anbau spezieller Energiepflanzen mit geringem Dünge- und Pflanzenschutz-Aufwand kann eine hohe Energie-Effizienz erreicht werden. Wenn dadurch keine Ausweitung der Ackerflächen stattfindet, ist eine solche Nutzung auch aus Umweltsicht wünschenswert. Außerdem trägt die energetische Verwertung von Feldfrüchten durch Entlastung heimischer Agrarmärkte zur Stabilisierung der Einkommen in der Landwirtschaft bei. Die EU-Agrarpolitik muss hierzu geeigneten Spielraum belassen.

Stuttgart, im September 2003

     


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